Objekt des Monats

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Nur eine alte Stirnlampe?

Stirnlampe Vorderseite Stirnlampe Rückseite

Abb.: Vorder- und Rückansicht der vermeintlichen einfachen Stirnlampe

Vor einiger Zeit hat wieder einmal ein interessantes Objekt Eingang in unsere Sammlungen gefunden. Letztens übergab uns ein langjähriges Mitglied des Geschichts- und Museumsvereins Zella-Mehlis e. V. einen Karton mit etlichen „alten Sachen“. Unter den verschiedensten Dingen fand sich auch ein, zunächst als alte Stirnlampe identifiziertes Objekt, welches aber bei genauerem Hinsehen doch etwas mehr als eben nur eine alte Stirnlampe sein sollte. Ein auf der Rückseite befindliches Etikett verweist auf Herkunft, Bezeichnung und Hersteller:

„SIGNAL CORPS U.S. ARMY / SIGNAL LAMP M-308-A / ORDER NO. 676-WF-42 / MADE BY BENDIX AVIATION. LTD. N. HOLLYWOOD CALIF."

Also was amerikanisches, von der Armee und aus Hollywood – Filmfabrik – das macht die Sache schon mal interessant und lädt ein zu weiteren Recherchen. Mal sehen, was das Internet dazu an Resultaten liefert!

Die Suche nach „BENDIX AVIATION. LTD." ergibt, dass es sich um einen Hersteller von Flugzeugteilen handelt, welcher 1929 damit in Fortsetzung seiner Auto-Teile-Produktion begann, benannt nach dem Gründer Vincent Bendix. Gut, also mal „SIGNAL LAMP M-308-A“ bei einem der bekannten Suchanbieter eingegeben, es erscheinen allerhand englischsprachige Seiten und die passenden Bilder sind auch zu sehen. Ziemlich weit oben in den Ergebnissen steht ein Eintrag: „Gibson Girl“ – klingt amerikanisch und interessant und die Seite ist in deutscher Sprache, also mal hin klicken. Was wir da zu sehen bekommen hat mit Girls nichts zu tun, sondern ist was technisches und wie wir dort erfahren ist das sogenannte „Gibson Girl“ aus dem Jahre 1942 der erste amerikanische Rettungssender für Piloten und Schiffsbesatzungen mit der offiziellen Bezeichnung SCR-578. Dieser Sender hat keinen Empfänger – er sendet nur einen Code mit einer Reichweite von etwa 300 Kilometer aus. Die Sendefrequenz von 500 kHz erfordert entsprechend lange Antennen, ca. 90 Meter, welche mittels eines Kastendrachens oder mit Helium gefüllten Ballons hochgezogen wurden. Den für den Betrieb nötigen Strom lieferte ein eingebauter Generator mit Handkurbelantrieb.

Dame mit MiederDer Name „Gibson Girl“ leitet sich von dem amerikanischen Zeichner Charles Gibson ab, er zeichnete Ende des 19. Jahrhunderts stark taillierte Frauenbilder, und nimmt Bezug auf die äußere Gestalt des Sendegerätes. Durch seine taillierte Bauform ließ es sich leichter zum Kurbeln zwischen den Beinen halten. Und unsere vermeintliche einfache Stirnlampe diente einmal als Leuchte bei der Handhabung des Gerätes und zusätzlich als Signallampe zur Auffindung der Position des Hilfesuchenden.

Begonnen hat unsere Geschichte dabei recht zivil, und zwar Anfang der 1930er Jahre in Deutschland. Die Entwicklung auf dem Gebiet der Luftfahrt machte immer größere Fortschritte, die Maschinen wurden immer größer, schneller, komfortabler und flogen vor allen Dingen immer weiter. So war es nur eine Frage der Zeit bis sich die Lufthansa auf ihren Langstreckenflügen eine Verbindung zur Heimatbasis wünschte. Hierfür wurde ein spezieller Sender konstruiert, mit dessen Hilfe man auf dem 500kHz Band morsen konnte.

Schon bald stellte sich heraus, dass sich dieser Sender wunderbar dazu eignen würde, in Not geratene Flugzeugbesatzungen SOS funken zu lassen – der NS1, Notsender Nr. 1, war geboren. Was sich im zivilen Leben als praktisch erwiesen hat, wird oftmals ebenso hartnäckig wie beständig vom Militär ignoriert. Nicht so in diesem Fall. Die Verluste der deutschen Luftwaffe im Kampf um England wurden immer größer, immer mehr Piloten wurden über dem Ärmelkanal und der Nordsee abgeschossen. Um diesen Piloten helfen zu können, wurde dem zivilen NS1 gedacht und aus ihm ein Rettungssystem entwickelt, das als NS2 1941 Einsatzreife erlangte.

Auszüge aus dem Benutzerhandbuch Auszüge aus dem Benutzerhandbuch

Abb.: Auszüge aus dem Benutzerhandbuch, da ist unten links auch die Stirnlampe neben der Kurbel zu sehen

Mitte 1941 fischten die Engländer ein komplettes NS2 System aus dem Ärmelkanal, untersuchten es zunächst und bauten es schließlich nach. Das englische Pendant wies im Wesentlichen die gleichen Parameter auf wie das deutsche Original, war jedoch um rund drei Kilogramm leichter. Offenbar waren die britischen Kapazitäten zur Serienfertigung begrenzt und konnten keinesfalls den enormen Bedarf der Alliierten decken. Aus diesem Grund trat noch im Jahre 1941 ein NS2 System seine Reise in die USA zu Bendix Aviation Ltd. an. Hier wurde das System einer kurzen Prüfung unterzogen und anschließend als SCR-578 auf den Markt gebracht.

Übrigens: das System fand nach dem Zweiten Weltkrieg auch wieder den Weg in die zivile Welt, u. a. wurde es von zivilen Luftfahrtgesellschaften wie der Lufthansa und KLM eingesetzt und wurde bis in die 1980er Jahre verwendet. Auch wurde dieses Funkgerät als eines von dreien, von Thor Heyerdahl auf seiner Kon-Tiki Expedition im Jahre 1947 benutzt. Im Kon-Tiki-Museum in Oslo, wenn es wieder geöffnet hat, kann man ein Exemplar besichtigen. (ls)