Objekt des Monats

und andere interessante Beiträge aus dem Blog

Objekt des Monats April 2021 ‒ Jungmädchentracht aus (Zella-)Mehlis

Objekt des Monats April

Die Jungmädchentracht aus (Zella-)Mehlis war eine freundlich wirkende hellblau-weiße Tracht mit weißer Haube. Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts war sie jedoch schon wieder aus dem Leben der Menschen hier verschwunden. Nur die schwarze Tracht der verheirateten Frauen wurde zu der Zeit noch getragen.

Trachtenpuppe Stadtmuseum

Jungmädchentracht (Zella-) Mehlis, Puppe aus der Puppensammlung des „Jungdeutschen Ordens“ in der Ausstellung des Stadtmuseums Zella-Mehlis.

Im Übergang vom 15. zum 16. Jahrhundert entwickelte sich in Thüringen eine spezifische Kleidung der ländlichen Bevölkerung, die nach Herkunftsregion verschieden war und Lebensweise, Grad des Wohlstands, politische wie auch religiöse Einflüsse und Beschaffenheit der Umgebung widerspiegelte. Je nach Anlass wurden geschlechts- und altersspezifische Berufs-, Werktags-, Kirchgangs-, Festtags- oder Kirmes-, Hochzeits- sowie Trauertrachten getragen.

Die älteste bisher bekannt gewordene Tracht aus Zella bzw. Mehlis stammt aus dem Jahr 1813.

Historische Darstellung

Abbildung mit Zellaer und Mehliser Trachten aus: Gerbing, Luise, Die Thüringer Trachten in Wort und Bild dargestellt und erläutert, Erfurt 1925.

So wie auch die Mundart unseres Ortes eher hennebergisch fränkisch geprägt war und ist, so war es auch die hiesige Tracht. Und das, obwohl Zella und Mehlis bereits seit dem 17. Jahrhundert vollständig zum sächsisch-gothaischen Amt Schwarzwald gehörten.

Trachten wurden in unserer Gegend bis ins 20. Jahrhundert hinein getragen, wenn auch in jüngerer Zeit nur noch in Teilen. So sind z. B. der Heidlappen, die typische Kopfbedeckung der Frauen, oder Schürzen und Kinder- und Hockmäntel noch lange getragen worden und finden sich daher auch heute noch auf Dachböden der hiesigen Bevölkerung wieder.

Bei den Männern sind die Berufstrachten wie die Werkskittel der Metallarbeiter, die „Blaukittel“ der Fuhrleute und die typischen Trachten der Zimmerleute und Hirten noch heute bekannt.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert befassten sich mehrere Vereine in Thüringen mit der Erhaltung des ländlichen Brauchtums und insbesondere auch mit der Volkstracht. Die „Jungdeutsche Schwesternschaft“, die weiblichen Mitglieder des „Jungdeutschen Ordens“, fertigten in ihren jeweiligen Ortsverbänden auf Initiative von Luise Gerbing und Gräfin Elsa von Grebenstein in den 1920er Jahren Puppentrachten unter Verwendung größtenteils Original-Trachtenstoffen.

Hirtenfest 1958

Fünf „Jungmädchen“ in der nachgebildeten Tracht beim Hirtenfest 1958.

So entstand eine Sammlung von Miniaturtrachten aller Thüringer Landesteile, die wiederum Teil einer insgesamt 400 Puppen umfassenden deutschlandweiten „Jungdeutschen Trachtensammlung“ war. Am Ende der 1920er Jahre reiste diese Sammlung als Wanderausstellung durch ganz Deutschland. Im Januar des Jahres 1933 kam eine Auswahl von 90 Thüringer Trachtenpuppen nach Zella-Mehlis. Die Resonanz war sehr groß und als Werbung für die Sammlung wurde sogar eine Postkartenserie mit Trachtenpuppenmotiven entwickelt und vertrieben. Als der „Jungdeutsche Orden“ in Folge der Machtübernahme der Nationalsozialisten verboten wurde, verblieb ein Teil dieser Sammlung über Jahrzehnte in Zella-Mehlis und wurde hier gut behütet verwahrt. 1996 übernahm das damalige Heimatmuseum Zella-Mehlis diesen volkskundlichen Schatz als Leihgabe und präsentiert nun eine Auswahl daraus in der Dauerausstellung des Stadtmuseums in der Beschußanstalt.

Nachbildung im Stadtmuseum

Nachgebildete Tracht aus dem Kleider-Depot, getragen zum Stadtfest 2019.

Übrigens findet sich im Stadtmuseum auch eine originalgetreue Nachbildung der Zella-Mehliser Jungmädchentracht, welche zu besonderen Anlässen, wie den Stadtfestumzügen, noch heute lebendig präsentiert wird. (ls)