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Im Stadtmuseum entdeckt: Ehrhardt E-V/4 Straßenpanzerwagen

Ehrhardt E-V/4 StraßenpanzerwagenIn einer Glasvitrine im Stadtmuseum befindet sich ein Modell eines Panzerspähwagens vom Typ Ehrhardt E-V/4 1919. Ein Hinweis in der Vitrine informiert darüber, dass dieses Modell aus der Station "Junger Techniker" in Zella-Mehlis aus dem Jahre 1975 stammt.
Militärgeschichtlich gesehen sind u.a. folgende Fragen von Interesse: Wie kam es zum Bau von Panzerspähwagen durch die Firma Ehrhardt? Welche Rolle spielten diese Militärfahrzeuge bei der Niederschlagung des Kapp-Lüttwitz-Putsches im März 1920?

1914 begann der Erste Weltkrieg. Durch den Einsatz von belgischen, britischen und russischen Panzerspähwagen zu Kriegsbeginn musste die Oberste Heeresleitung (OHL) erkennen, dass das deutsche Heer nichts Gleichartiges aufbieten konnte. Um dieses Versäumnis auszugleichen, vergab die OHL im Oktober 1914 einen Auftrag an drei Firmen - Büssing, Daimler und Ehrhardt - zur Konstruktion eines gepanzerten Spähwagens.
Die in der Folgezeit gebauten Panzerspähwagen, unter ihnen der in Düsseldorf produzierte E-V/4, konnten an der zum Stellungskrieg erstarrten Westfront allerdings nicht viel ausrichten, da die Fahrzeuge dieser drei Firmen lediglich für befestigte und unbefestigte Straßen konzipiert waren - für einen Bewegungskrieg folglich.
Aus diesem Grunde wurden im Herbst 1916 die noch verbliebene Fahrzeuge an die rumänische Front verlegt. Bei Kampfhandlungen, wo der Bewegungskrieg noch möglich war, bewährten sich die Panzerspähwagen. Die OHL beschloss aus diesem Grunde, eine größere Stückzahl von Panzerwagen bei Ehrhardt zu bestellen. Diese besaßen eine Panzerung von 6-9 mm, eine Bewaffnung von drei MG 08, ein Zwölfganggetriebe (sechs Vorwärts- und sechs Rückwärtsgänge), einen Vierradantrieb, Antrieb: 59 kW (80 PS) und erreichten auf der Straße eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h. Die Besatzung bestand aus 8-9 Mann. Mit den ersten zwölf Kampfwagen wurden damals Panzerkraftwagen-MG-Züge gebildet. Ein Zug bestand aus je zwei Ehrhardt E-V/4 und den notwendigen Unterstützungsfahrzeugen. Gegen Ende des Jahres 1917 wurden weitere 20 Fahrzeuge bestellt.
Die neu formierten Einheiten wurden mit Erfolg an der rumänischen und ukrainischen Front, später auch im Elsass und an der italienischen Front eingesetzt. Einige Einheiten unterstützten die deutsche Frühjahrsoffensive 1918 an der Westfront, allerdings unter erheblichen Verlusten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden bis 1919 noch weitere 20 Stück gebaut, von denen einige an Freikorps-Verbände gingen und andere an die Entente-Mächte abgeliefert wurden. Bei den drei Aufständen in Oberschlesien (1919, 1920 und 1921) wurden von beiden Seiten Panzerwagen eingesetzt, darunter auch einige Ehrhardt E-V/4.
Im März 1920 kam es in Deutschland zum Kapp-Lüttwitz-Putsch. In dem Beitrag "Erinnerung an die Niederschlagung des Kapp-Putsches vor 95 Jahren", in: Stadtanzeiger Zella-Mehlis vom 5. März 2015, Nr. 5/2015, S. 5, schilderte Elke Pudszuhn anschaulich die Ereignisse im März 1920. Am 13. März 1920 rückte die Marinebrigade Ehrhardt, mit Hakenkreuzen am Stahlhelm und unter der Reichskriegsflagge in Berlin ein. Die Putschisten wollten in Deutschland eine Militärdiktatur errichten, jedoch konnte diese Absicht durch das einheitliche Handeln aller demokratischen Kräfte - unabhängig von der Parteizugehörigkeit - zerschlagen werden.
Bei Kämpfen gegen putschende Reichswehreinheiten kamen in unserer Heimat Panzerwagen zum Einsatz, so in Suhl und Gotha. Zunächst gelang es einer Kompanie der Reichswehr am 15. März in Suhl den Bahnhof, das Postamt und das Rathaus zu besetzen. Der Belagerungszustand wurde verkündet und willkürlich - ohne Anruf - ein Arbeiter auf offener Straße erschossen. Bewaffnete Arbeiter aus Suhl, Zella-Mehlis und Umgebung setzten sich zur Wehr. Nachdem der Bahnhof und das Postamt nach kurzem Widerstand der Putschisten sich in der Hand der Arbeiterschaft befand, konzentrierte sich der Kampf um das Rathaus. Im Kugelhagel der Putschisten fielen Theodor Helfricht, Fritz Häfner und Karl Oehring aus Zella-Mehlis. Eine starke Unterstützung im Kampf stellte schließlich der Einsatz von zwei Panzerwagen aus Zella-Mehlis dar. Über Nacht hatten Arbeiter in Zella-Mehlis zwei von fünf reparaturbedürftigen Panzerwagen in dem Ehrhardtschen Rüstungsbetrieb einsatzbereit gemacht. Diese Kampfwagen konnten nun in Suhl und später in Gotha eingesetzt werden. Bei den verlustreichen Kämpfen in Gotha fielen am 18. März Ernst Bertels, Otto Fleischer, Fritz Voigt und Paul Irmischer aus Zella-Mehlis und ...
Gedenkstätte für die während der Kämpfe in Suhl und Gotha 1920 gefallenen ArbeiterAuf dem ehemaligen Mehliser Friedhof findet nun alljährlich im März eine Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an den Kampf dieser Menschen statt, die ihr Leben für ein demokratisches Deutschland und soziale Gerechtigkeit gaben. Durch ihren mutigen Einsatz wurde 1920 die Zerschlagung der Weimarer Republik und die Errichtung einer Militärdiktatur in Deutschland verhindert.