Zella-Mehlis ist reich an Geschichte!

Die Museen der Stadt Zella-Mehlis vereinen mit dem Stadtmuseum in der Beschußanstalt », dem Technikmuseum Gesenkschmiede » und dem Heimatmuseum Benshausen » eine museale Erlebnis- und Bildungswelt in den Bereichen Stadtgeschichte, Kulturgeschichte, Industriegeschichte, Technikgeschichte und Volkskunde.
Erfahren Sie mehr über die Vergangenheit der Stadt, über deren Berühmtheiten, über Erfindungen, sportliche sowie technische Besonderheiten und lernen Sie Zella-Mehlis und Benshausen von einer anderen Seite kennen!
Viele meinen, nachdem sie ein Stadt- oder Heimatmuseum besucht haben, kennen sie alle, weil sie sich oft ähneln ... unsere Museen sind anders!  Kommen Sie uns besuchen und Sie werden überrascht sein, wie ein Museum sein kann, klar gegliedert, informativ, interessant gestaltet ... und Sie werden dann wissen, was die Welt ohne Zella-Mehlis wäre – undenkbar!

Neuigkeiten

Objekt des Monats November 2020 – Drehbank

Drehmaschine

Zum ältesten originalen Werkstattinventar des ehemaligen Gesenkschmiedebetriebes der Familie Wahl gehört eine Drehbank. Ursprünglich über die vorhandene Wasserkraftanlage (Wasserrad/Turbine und Transmission) eingebunden, wird die Maschine, seit 1952 ein Starkstromanschluss eingerichtet wurde, mit einem Elektromotor angetrieben. Sie diente zur Einarbeitung von Gravuren in die Gesenke für runde Schmiedeteile sowie zur Herstellung von Schnitten, Stempeln und sonstigen Drehteilen im Rahmen der Ersatzteilfertigung.

Bisher gingen wir davon aus, dass die Maschine um das Jahr 1925 (geschätzt) von der Firma „Schuchardt & Schütte“ in Berlin gefertigt wurde, weil, es steht ja drauf! Nach genaueren Recherchen konnte in Erfahrung gebracht werden, dass die genannte Firma nur bis 1905 bestand, also unsere Maschine älter sein muss. Denn 1905 trennte sich Alfred Heinrich Schütte von Bernhard Schuchardt und gründete in Köln die Familiengesellschaft „Alfred H. Schütte“. Hinzu kommt noch, dass die Firma „Schuchardt & Schütte“ selbst keine Maschinen hergestellt hat. Die Nachforschung haben noch weitere interessante Aspekte zutage gefördert.

 

Leitspindeldrehbank

Abbildung einer Drehbank (amerikanisches System) aus „Das Buch der Erfindungen“, Leipzig 1900.

Das 1880 in Berlin gegründete Unternehmen „Schuchard & Schütte“ war einst ein führender Importeur und Händler von Werkzeugmaschinen in Deutschland. Denn Ende der 1890er Jahre verfügte die Firma über das größte Geschäft des Landes, ein imposantes Gebäude im Zentrum Berlins, Vertretungen in Großbritannien und besaß die Vertriebsrechte für amerikanische Firmen in Deutschland, Österreich, Belgien und Russland.

Das Geschäft in Berlin
Eine historische Postkarte zeigt den Hauptsitz der Firma „Schuchardt & Schütte“ in Berlin.

Einer der Gründe für die Beliebtheit der in den USA hergestellten Werkzeugmaschinen war der Wunsch der deutschen Regierung Anfang der 1870er Jahre, eine neue Handfeuerwaffe, das „Mauser-Infanteriegewehr 1871“ einzuführen. Aus den Erfahrungen der Industrialisierung hatte sich in Amerika eine vielfältige Maschinenbauindustrie etabliert, welche eine Massenfertigung erst ermöglichte, die in Deutschland wegen der noch sehr handwerklich geprägten Wirtschaft weitestgehend fehlte.

Um Hilfe gebeten, löste die Firma „Pratt & Whitney“ (Hartford/USA) das Problem und errichtete unter Verwendung bewährter amerikanischer Methoden und der erforderlichen Maschinen Rüstungswerke, in Danzig, Spandau und Erfurt. Aus letzterer, der „Königlich Preußischen Gewehrfabrik Erfurt“, stammen auch zwei der amerikanischen Brettfallhämmer (einer von „Pratt & Whitney“!) in unserer Gesenkschmiede. Als direkte Folge wurde von der sich entwickelnden deutschen Industrie erwartet, dass sie die gleichen Maschinen und Methoden übernehmen. Somit wurde der gute Ruf der amerikanischen Werkzeugmaschinen begründet. Natürlich dauerte es nicht lange, bis Kopien angefertigt, Verbesserungen eingearbeitet wurden und sich eine eigene Werkzeugmaschinenindustrie in Deutschland entwickelte.

Verkaufsausstellung
Eine Reihe von amerikanischen Drehbänken in der Verkaufsausstellung von"Schuchardt & Schütte".

In Bezug auf die Drehmaschinen heißt es in einem der Kataloge von „Schuchardt & Schütte“: „Diese Drehmaschinen sind das Ergebnis des amerikanischen Erfindungsgeistes. Schuchardt & Schütte besitzt die exklusive Vertriebslizenz für die Originaldrehmaschinen von Hendey/Norton.“

So ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass auch unsere Drehbank ursprünglich von einem amerikanischen Hersteller stammt und lediglich von „Schuchardt & Schütte“ mit ihrem Etikett versehen wurde. Vielleicht stammt sie auch aus der Erfurter Gewehrfabrik und konnte zusammen mit den zwei Brettfallhämmern im Jahre 1917 günstig erworben werden. (ls)